Warum arbeiten wir länger als früher?

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Warum arbeiten wir länger als früher?

Man sollte diese Frage nicht zu schnell abtun. Denn es lohnt sich, sich länger damit zu beschäftigen. Sicher spielt Angst eine große Rolle, Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, Angst davor, die Ziele nicht erfüllen zu können, Angst davor, vor dem Vorgesetzten oder dem eigenen Team schlecht dazustehen. Diese Antworten sind nicht falsch. Sie sind alle richtig. Aber sie treffen unser Problem nicht in der Schärfe, in der wir es brauchen. Denn diese Angst gab es schon immer. Außerdem brauchen wir nicht nur eine Erklärung dafür, dass wir länger arbeiten, sondern auch dafür, dass Initiativen der Gewerkschaften und der Betriebsräte, sich dagegen zu wehren, nicht entschieden unterstützt werden. Die Beschäftigten arbeiten nicht nur länger als früher, sie wollen das auch und wehren sich gegen Versuche ihrer Interessenvertreter, die Ausdehnung der Arbeitszeit einzugrenzen. Angst spielt sicher eine wesentliche Rolle, erklärt aber nicht das Neue am Verhalten der Beschäftigten.

Ebenso sicher trifft die Antwort zu, dass es den Beschäftigten um das Geld gehe, obwohl dies offenbar nur bei einen Teil der Beschäftigten zutrifft. Eine ganze Reihe von Beschäftigten arbeiten länger, obwohl sie dafür kein zusätzliches Gehalt oder keinen zusätzlichen Lohn erhalten. Für andere aber ist dies sicher ein wichtiger Anreiz. Aber die Frage ist: Warum stellt sich das Problem auf eine neue Weise? Denn dass Überstunden oder verlängerte Arbeitszeit bezahlt werden, ist auch schon länger so. Das Neue der gegenwärtigen Herausforderung in der Frage der Arbeitszeit wird damit nicht erfasst, so scheint uns.

Am einfachsten ist es, wenn man sich dumm stellt, und sich dann fragt: Wie kann es sein, dass Beschäftigte in einem Unternehmen freiwillig länger arbeiten als sie wollen? Was treibt sie dazu - vernünftiger Weise - an? Diese Fragen führen zum Kern des Problems der Auseinandersetzung um Arbeitszeit in der Gegenwart.

Bis vor 20 Jahren haben die Gewerkschaften erfolgreich für die Verkürzung der Arbeitszeit gekämpft, sowohl der tariflichen wie der tatsächlichen Arbeitszeit. Seit 15 Jahren erleben wir eine Verlängerung der Arbeitszeit, die zwar von den Arbeitgebern stark gefördert und womöglich initiiert und organisiert ist, von den Beschäftigten aber jedenfalls nicht so abgelehnt wird, dass sie etwas dagegen unternehmen würden. Diese Wende ist es, die uns interessieren muss.

Interessiert die Frage der Arbeitszeit überhaupt noch?