Was ist eine Krankheit?
Was ist eine Krankheit?
Auch Krankheiten sind jedoch nichts anderes als die Folgewirkung gesellschaftlicher Veränderungen, die wir nicht beherrschen. Nehmen wir das Beispiel Diabetes: Diabetes gab es nicht schon immer. Im Gegenteil. Diabetes ist eine klassische Kulturkrankheit, die mit falscher Ernährung zusammenhängt. Bevor die Menschen geschälten Reis, weißes Mehl und raffinierten Zucker aßen, gab es Diabetes praktisch nur in Ausnahmefällen. Heute ist Diabetes eine Massenkrankheit und eine Geißel der Gesellschaft. Das hängt damit zusammen, dass Vollkornmehl sich deutlich schlechter aufbewahren lässt. Es wird leichter schlecht. Also wird industriell kein Vollkornmehl produziert, weil es nicht ausreichend lagerfähig ist. Die Folge: Diabetes wird eine Massenkrankheit. vor 150 Jahren gab es Diabetes praktisch kaum. In Indien wurde bis vor kurzem Vollkornreis gegessen. Jetzt wird auch in Indien in der zweiten Generation aus demselben Gründen geschälter Reis verzehrt. Also wird sich bald Diabetes ausbreiten. Auch für andere Krankheiten lässt sich Ähnliches zeigen.
Der Medizinhistoriker Roy Porter hat in dem Werk "Die Kunst des Heilens. Eine Medizinische Geschichte der Menschheit von der Antike bis heute" aufgezeigt, dass Krankheiten gesellschaftlich-geschichtlichen Ursprungs sind. Er formuliert diese Behauptung im Anschluss an die Geschichte von der Büchse der Pandora folgendermaßen:
"Die Büchse von Pandora und ähnliche Geschichten dieser Art erzählen außerdem noch etwas anderes: Seuchen und Pestilenzen sind weder von Gott gesandt noch natürliche Gefahren; sie sind von den Menschheit selbst geschaffen. Die Krankheit ist ebenso eine soziale Entwicklung wie die Medizin, die sie bekämpft." (S. 15)
und später S. 18:
"Als aus Jägern und Sammlern Hirten und Landwirte wurden, war der Krankheit der Boden bereitet. Sich schnell vermehrende Krankheitserreger die einst ausschließlich Tieren vorbehalten waren, wurden auf Schweine und Ziegenhirten, Pflüger und Reiter übertragen; damit setzten die endlosen evolutionären Anpassungsvorgänge ein, aufgrund derer der Mensch nicht weniger als 65 durch Mikroorganismen hervorgerufene Krankheiten mit Hunden (angeblich den besten Freunden des Menschen) gemein hat, und fast ebenso viele mit Rindern, Schafen, Ziegen, Schweinen Pferden und Geflügel. Viele der schlimmsten Krankheiten entstanden durch die Nähe zu Tieren. ... Sesshaftigkeit begünstigte die Krankheit; ..." (S. 18f.)
So betrachtet ist Burnout eine Krankheit, eine Auseinandersetzung mit uns unbewussten Veränderungen in unserem gesellschaftlichen Leben. Die Probleme, die mit den von uns selbst hervorgebrachten gesellschaftlichen Veränderungen entstehen, erfassen wir nicht. Deswegen machen sie sich als Krankheit bemerkbar. Sind wir in der Lage, die Verselbständigung der Verhältnisse bei der Kooperation in der Produktion zu verhindern, die Verhältnisse gewissermaßen wieder einzufangen, dann wird auf die Dauer auch Burnout verschwinden.
Burnout ist in diesem Sinne eine Krankheit, aber keine natürliche oder unveränderliche Krankheit, sondern eine gesellscahftlich- geschichtliche Krankheit. Medizinisch lassen sich nur ishre Symptome behandeln. Gesundung ist nicht auf medizinischem Wege zu erreichen, sondern durch die Auseinandersetzung mit der Verselbständigung der Beziuehungen der Menschen in der Arbeit, in der Produktion.